An die Römer 2:1-29
Fußnoten
Studienanmerkungen
Nachsicht: In den Christlichen Griechischen Schriften kommt das entsprechende griechische Substantiv anochḗ hier und in Rö 3:25 vor. Wörtlich bedeutet es „Aufhalten“ und kann auch mit „Zurückhaltung“ übersetzt werden. Es ist mit einem griechischen Verb verwandt, das an anderen Stellen vorkommt und meistens mit „ertragen“ oder „geduldig ertragen“ übersetzt wird (Mat 17:17; 1Ko 4:12; Eph 4:2). In der Septuaginta wird mit diesem Verb ausgedrückt, dass sich Jehova beherrscht und zurückhält (Jes 42:14; 64:12; LXX). Jehova hat ertragen, dass man ihn und seinen Namen schlechtgemacht hat, dass sein Sohn gefoltert und getötet wurde und dass seine treuen Diener misshandelt wurden. Die gesamte Menschheitsgeschichte hindurch hat er außergewöhnlich große Güte, Nachsicht und Geduld gezeigt. Das tut er, weil er die Menschen „zur Reue führen möchte“. Auch der Apostel Petrus macht auf diesen Gedanken aufmerksam (2Pe 3:9).
Reue: Wtl. „Umdenken“. In der Bibel wird damit beschrieben, dass man jetzt anders über sein früheres Verhalten denkt: Man bedauert zutiefst seinen früheren Lebenswandel, schwere Fehler oder Versäumnisse. Im vorliegenden Vers ist mit „Reue“ der Wunsch gemeint, wieder ein gutes Verhältnis zu Gott aufzubauen oder es überhaupt erst zu entwickeln. Echte Reue zeigt sich durch eine Verhaltensänderung. (Siehe Anm. zu Mat 3:2, 8; Apg 3:19; 26:20 und Worterklärungen.)
jeden Menschen: Oder „die Seele eines jeden Menschen“. (Siehe Worterklärungen zu „Seele“.)
Griechen: Gemeint sind hier Nichtjuden. (Siehe Anm. zu Rö 1:16.)
bei Gott gibt es keine Parteilichkeit: Das griechische Wort für „Parteilichkeit“ (prosōpolēmpsía) bedeutet wtl. „Annahme des Gesichts“. (In der Anm. zu Apg 10:34 geht es um ein verwandtes Wort.) Es ist dem hebräischen Ausdruck naßáʼ paním nachempfunden, der wtl. „das Gesicht (eines anderen) erheben“ bedeutet. In 3Mo 19:15 ist er mit „parteiisch sein“ übersetzt. Im Vorderen Orient war es üblich, dass sich jemand beim Begrüßen eines Ranghöheren demütig verbeugte und den Blick auf den Boden richtete. Als Zeichen seines Wohlwollens hob der Gegrüßte dann das Gesicht des Grüßenden hoch. Da es bei diesem Brauch häufig zu Bevorzugungen kam, nahm der Begriff mit der Zeit die Bedeutung von „Parteilichkeit“ an. Paulus wollte sagen, dass Gott niemanden bevorzugt. Anstatt sozusagen das Gesicht des einen zu erheben und des anderen nicht, akzeptiert er Juden und Griechen gleichermaßen. Dieser Gedanke kommt in den Briefen von Paulus öfter vor (Eph 6:9).
unter dem Gesetz … nach dem Gesetz: Hier erscheint im Römerbrief zum ersten Mal das griechische Wort nómos („Gesetz“). (Der Ausdruck ohne Gesetz ist eine Wiedergabe des griechischen Wortes anómōs.) Wie an den meisten Stellen im Römerbrief meint Paulus hier mit dem Wort „Gesetz“ das Gesetz von Moses. In den Christlichen Griechischen Schriften kann mit „Gesetz“ Verschiedenes gemeint sein: 1. ein bestimmtes Gebot, 2. das ganze Gesetz, das Gott Moses gab, 3. die Hebräischen Schriften oder Teile daraus oder 4. ein Einfluss, der das Verhalten in eine bestimmte Richtung drängt. (Siehe Anm. zu Mat 5:17; Joh 10:34; Rö 8:2.)
Gewissen: Das entsprechende griechische Wort synéidēsis setzt sich zusammen aus syn („mit“) und éidēsis („Wissen“). Wörtlich bedeutet es also „Mitwissen“. Paulus erklärt hier, dass sogar jemand, der Gottes Gesetze nicht kennt, ein Gewissen hat – die Fähigkeit, sich selbst mit Abstand zu betrachten und das eigene Verhalten zu beurteilen. Eine richtige Beurteilung ist allerdings nur möglich, wenn das Gewissen nach Gottes Wort ausgerichtet ist und sich am Willen Gottes orientiert. Wie die Bibel zeigt, funktioniert nicht jedes Gewissen gleich gut. Manche Menschen haben ein schwaches (1Ko 8:12), ein versengtes (1Ti 4:2) oder ein verunreinigtes Gewissen (Tit 1:15). Paulus beschreibt, wie sein Gewissen funktioniert, mit den Worten: „Mein Gewissen bezeugt mit mir in heiligem Geist“ (Rö 9:1). Er wollte immer „vor Gott und den Menschen ein reines Gewissen“ haben (Apg 24:16).
unterrichtet: Oder „mündlich unterrichtet“. Das griechische Verb katēchéō bedeutet wtl. „von oben herunter ertönen lassen“; es kann den Gedanken von mündlichem Unterricht beinhalten. (Siehe Anm. zu Apg 18:25.)
kleinen Kindern: In diesem Zusammenhang bezieht sich der Ausdruck offensichtlich auf Personen, die in Bezug auf ihr Wissen, ihr Verständnis und ihre Reife noch wachsen müssen.
Gerüst: Das entsprechende griechische Wort mórphōsis kann sich auf die äußere Erscheinung oder Form einer Sache beziehen. Damit ist hier offensichtlich die im Gesetz von Moses enthaltene grundlegende Erkenntnis und Wahrheit gemeint. Das Gesetz war nur ein „Gerüst“, weil es nicht alles über Gott, seinen Willen und sein Vorhaben offenbarte. Vieles wurde erst durch Jesus deutlich (Joh 1:17). Trotzdem konnten treue Juden Jehova und sein gerechtes Vorgehen kennenlernen, wenn sie die im Gesetz enthaltenen Grundsätze studierten. Dadurch hatten sie jahrhundertelang einen großen Vorteil gegenüber anderen Völkern (5Mo 4:8; Ps 147:19, 20). Auch wenn das Gesetz von Moses nur ein „Gerüst“ war, war es nötig, um Jehova und sein Vorhaben völlig zu verstehen.
Ehebruch: In der Bibel bezieht sich Ehebruch auf freiwillige sexuelle Handlungen einer verheirateten Person mit jemandem, der nicht ihr Ehepartner ist. (Vgl. die Anm. zu Mat 5:32, wo der Ausdruck „sexuelle Unmoral“, griechisch pornéia, behandelt wird, und die Anm. zu Mar 10:11.)
Beschneidung: Das Gesetz von Moses verlangte von männlichen Anbetern Jehovas, sich beschneiden zu lassen (3Mo 12:2, 3; siehe Worterklärungen). Nichtjuden, die das Passah mitfeiern wollten, mussten sich ebenfalls beschneiden lassen (2Mo 12:43-49). Doch im Jahr 49 u. Z. (nur sieben Jahre bevor Paulus seinen Brief an die Römer schrieb) hatte die leitende Körperschaft in Jerusalem entschieden, dass sich nichtjüdische Christen nicht an die Bestimmungen des jüdischen Gesetzes zu halten brauchten und sich auch nicht beschneiden lassen mussten (Apg 15:1, 2, 28, 29). In seinem Brief an die Römer unterstützt Paulus diesen vom Geist geleiteten Beschluss. Hier und in den nachfolgenden Versen erklärt er unter der Leitung des heiligen Geistes noch weitere Einzelheiten. Selbst für einen Juden reichte es nicht, beschnitten zu sein, er musste sich auch an die anderen Vorschriften des Gesetzesbundes halten (3Mo 18:5; 5Mo 30:16; Jer 9:25; siehe Anm. zu Rö 2:29).
ein Jude … Beschneidung: Paulus verwendet diese beiden Begriffe hier im übertragenen Sinn, um zu zeigen, dass es in der Christenversammlung keine Rolle spielt, aus welchem Volk jemand kommt. (Siehe Worterklärungen zu „Jude“; „Beschneidung“.)
Jude: Der griechische Ausdruck Ioudáios entspricht dem hebräischen Begriff Jehudhí („zu Juda gehörend“), der in den Hebräischen Schriften mit „Jude“ bzw. „jüdisch“ wiedergegeben wird. Nach der Babylonischen Gefangenschaft setzte sich der Begriff „Jude“ immer mehr als Bezeichnung für alle Israeliten durch. (Siehe Worterklärungen zu „Jude“.) Gemäß 1Mo 29:35 besteht eine Verbindung zwischen dem Namen „Juda“ und dem hebräischen Verb für „preisen“ oder „loben“. Eine mögliche Bedeutung des Namens ist demnach „gepriesen (gelobt)“, „jemand, der gepriesen (gelobt) wird“. Daher könnte es sich bei den Worten von Paulus um ein Wortspiel handeln: Ein echter „Jude“ ist jemand, der von Gott Lob bekommt, weil sein Herz „beschnitten“ ist und er Gott aus ehrlichen Beweggründen dient. (Siehe Anm. zu Beschneidung des Herzens in diesem Vers.) Das größte Lob, das ein Mensch bekommen kann, ist Gottes Anerkennung. Dabei spielt die Abstammung keine Rolle, denn Gott ist nicht parteiisch. Christen im 1. Jh. waren im übertragenen Sinn Juden – sie gehörten zum „Israel Gottes“ (Gal 6:16).
Beschneidung des Herzens: Sowohl in den Hebräischen als auch in den Christlichen Griechischen Schriften wird von der Beschneidung auch im übertragenen Sinn gesprochen. (Siehe Worterklärungen zu „Beschneidung“.) Auch wenn die Israeliten schon buchstäblich beschnitten waren, erwartete Gott von ihnen eine Beschneidung des Herzens. Wörtlich übersetzt sagte Moses laut 5Mo 10:16 und 30:6 (siehe Fnn.) zu den Israeliten: „Beschneidet die Vorhaut eures Herzens“ und „Jehova, dein Gott, wird dein Herz und das Herz deiner Nachkommen beschneiden“. Daran erinnerte auch Jeremia die Israeliten, als sie auf Abwege gekommen waren (Jer 4:4). Das Herz zu beschneiden bedeutet, es zu „reinigen“, also alle Gedanken, Neigungen und Beweggründe daraus zu verbannen, die für Jehova unrein sind und das Herz hart werden lassen. Ohren, die nicht auf Jehovas Anleitung hören, werden ebenfalls als „unbeschnitten“ bezeichnet (Jer 6:10, Fn; siehe Anm. zu Apg 7:51).
Medien
Das Bild zeigt die Überreste einer Synagoge in Ostia, der Hafenstadt des antiken Rom. Auch wenn das Gebäude im Laufe der Zeit renoviert und verändert wurde, geht man davon aus, dass es in der zweiten Hälfte des 1. Jh. u. Z. als Synagoge erbaut wurde. Das Vorhandensein einer Synagoge in der Umgebung von Rom deutet darauf hin, dass dort lange Zeit Juden lebten. Als Kaiser Claudius um 49 oder 50 u. Z. alle Juden aus Rom vertreiben ließ, blieben die jüdischen Gemeinden im Umland womöglich bestehen (Apg 18:1, 2). Nach dem Tod von Claudius im Jahr 54 kehrten viele Juden nach Rom zurück. Als Paulus um das Jahr 56 seinen Brief an die Christen in Rom schrieb, bestand die Versammlung dort sowohl aus Juden als auch aus Nichtjuden. Das erklärt, warum Paulus auf die Bedürfnisse von beiden Gruppen einging und ihnen zeigte, wie sie in Einheit zusammenleben könnten (Rö 1:15, 16).
(1) Rom
(2) Ostia